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BACK TO BASICS – Warum Selbstverständlichkeiten manchmal gar nicht so selbstverständlich sind

Manche Reiter stellen an ihre Pferde hohe Anforderungen, sie übersehen dabei jedoch die großartigen Dinge die Pferde tagtäglich leisten. Pferde handeln nach ihrem Instinkt, sie planen nicht, sie greifen auf vorhandene Gedächtnisspuren zurück und agieren situationsbedingt. Und trotz alledem versuchen sie uns – auch in für sie bedrohlich wirkenden Situationen – stehts zu folgen, betreten dunkle Pferdetransporter oder auch einen furchteinflößenden Waschplatz. Werden Pferde psychisch oder physisch überlastet, kann es dazu kommen, dass ihnen die einfachsten Sachen nicht mehr leichtfallen, sondern sie überfordern. Diese Pferde werden schreckhaft, haben Konzentrationsschwierigkeiten und neigen dazu immer schon mit einem Auge einen möglichen Fluchtweg suchen. Ist der Pferdekörper auf Flucht aktiviert, stellt sich beim Pferd das Gehirn regelrecht aus und ist kaum noch in der Lage weitere Informationen von außen (zB vom Reiter) wahrzunehmen. 

 

Pferde lernen durch gutes Training und viele Wiederholungen, die für uns selbstverständlichen Dinge wie zum Beispiel das Hinstehen beim Aufsteigen. Diese Basis vom Hinstehen wird oft in jungen Jahren versäumt. Kaum hat man das Bein über dem Pferderücken, beginnt das Pferde nach vorne wegzulaufen und man lässt es einfach weiterlaufen. Manchmal sind das nur 2 kleine Schritte, aber manchmal auch gleich ein hektisches Vorangehen. Eine dumme Angewohnheit, welche schnell zu einer gefährlichen Situation werden kann, auch wenn man möchte, dass das Pferd ruhig steht. Ich selbst bin in einer solchen Situation schwer vom Pferd gestürzt, habe mir das Knie gebrochen und kenne etliche Geschichten von Unfällen beim Aufsteigen, welche einem die Haare zu Berge stehen lassen. 

 

Viele Pferde verbinden Reiten auch unterbewusst mit Stress und ergreifen die „Flucht“ nach vorne – während oder kurz nach dem Einsitzen in den Sattel. Eine einfache Basisübung wie das ruhige Hinstehen beim Aufsteigen, muss also unbedingt geübt werden – und es ist dabei ganz egal, wie alt das Pferd ist. Wenn die Basis nicht stimmt, kann darauf nicht aufgebaut werden. Auch Pferde die bereits eine Vorbelastung im empfindlichen Rückenbereich haben (zB Kissing Spines) zeigen oft ein rgelrechtes Weglaufen beim Aufsitzen. Ein Ziehen am Zügel oder gewaltsames Zurückziehen ist kontraproduktiv und eine Bestrafung kurz nach dem Aufsitzen sollte vermieden werden. Beim Aufsteigen erhält die Wirbelsäule des Pferdes eine enorme einseitige Belastung und wird durch das Reitergewicht stark nach seitlich unten gezogen, die gesamte thorakolumbale Faszie im Rückenbereich wird stark zusammengepresst und das Pferd hat Mühe sich selbst auszubalancieren. Man nimmt dem Pferd in diesem kurzem Moment seine eigene Blanace und bringt es in eine Situation in der es seinen Fluchtinstinkt komplett unterdrücken muss. Für das Pferd ist diese Art von Belastung und auch Biegung in der Wirbelsäule absolut unnatürlich; denn nur ein „Feind“ in der freien Natur würde sich so an den Rücken des Pferdes hinhängen. Das sollte jedem Reiter bewusst sein und auch ist es ratsam sich mit der Anatmoie des Pferdes zu befassen, um zu sehen, welche Kräfte durch unser Gewicht am Pferdekörper wirken. Deshalb sollte JEDER Reiter immer (wenn möglich) mit einer Aufstiegshilfe aufs Pferd steigen, um die wirkenden Zugkräfte so gut es geht zu minimieren. Durch viele Wiederholungen, sanftes Einsitzen und auch das aufgebauten Vertrauen in uns Menschen lernt das Pferd nicht zu flüchten und gelassen stehen zu bleiben, bis der Reiter sitzt und dann die Hilfe zum Antreten nach vorne gibt. 

"Auf der Basis des Vertrauens beginnt der Erfolg."

Es ist also NICHT selbstverständlich, dass ein Pferd beim Aufsitzen ruhig bleibt und brav hinsteht, aber es ist unbedingt sicherheitsrelevant, damit wir sicher im Sattel ankommen. Diese Leistung, sofern es diese zeigt, bleibt leider viel zu oft unbemerkt und nicht wertgeschätzt. Ebenso sollte das Pferd das Aufsteigen nicht immer nur mit stresserfülltem Reiten verbinden. Ist das Training pferdegerecht und geht der Reiter auf sein Pferd ein – auch schon beim Aufsteigen – so wird das Pferd lieber hinstehen. Seit meinem Sturz bin ich beim Aufsteigen wirklich vorsichtig geworden und übe auch gerne mit meinen älteren Pferden das ruhige Hinstehen. Ruhiges Stehen beim Aufsitzen muss beim Pferd verinnerlicht sein, denn nur so lassen sich Unfälle vermeiden. Ich rate jedem Reiter, diese „einfache Übung“ tagtäglich zu üben und bei gutem Gelingen auch zu loben. Unsere Pferde geben uns so viel, sie passen sich an unsere Umwelt an (zB am Turnier mit Musik, vielen Menschen und fremden Pferden ect),  sie unterdrücken Ihre Instinkte und schenken uns ihr Vertrauen.

Oftmals sagen Reiter, dass sie ja NUR ein Freizeitpferd suchen, das sicher beim Reiten und im Umgang ist. Aber auch - und vielleicht sogar - Pferde, die (nur) vertrauensvolle Freizeitpartner sind, sind unbezahlbar. Auf der Basis des Vertrauens beginnt der Erfolg. Nur ein Pferd, dass mir vertraut, kann sich auf mich verlassen und bleibt in vielen Situationen nervenstark und hört mir zu. Durch unbekanntes Gelände reiten, trotz Windsturm ruhig in der Halle laufen und das Folgen überall hin - so ganz selbstverständlich ist das alles in meine Augen nicht und wir sollten dafür unseren Pferden gegenüber mehr Anerkennung für die vermeintlich „kleinen“ Leistungen an den Tag legen. Denn in den kleinen Dingen steckt die Großartigkeit des Lebens.

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