Draußen liegt der Schnee, es pfeift der Wind und man hat das Gefühl, dass auch die dritte Jacke einen nicht wirklich gegen die Temperaturen im Minusbereich schützen kann: Herzlich Willkommen im Winter! Und dieser hat uns nun einige Wochen feste im Griff. Das bedeutet neben vereisten Tränkern und glatten Stallwegen, auch gefrorene Reitplätze und meist überfüllte Hallen in den dunklen Abendstunden. All das klingt nicht gerade sehr verlockend, doch unsere Pferde brauchen auch in der kalten Jahreszeit neben frischer Luft und Abwechslung, ihre regelmäßige BEWEGUNG.
Wie in einem meiner vorherigen Beiträge spielt Bewegung einen großen Teil bei der Gesunderhaltung eines Pferdes. Und im Gegenteil zu uns Menschen besitzen Pferde einen von der Natur gut ausgeklügelten Temperaturhaushalt, so dass ihnen Kälte weniger zu schaffen macht, als extreme Hitze. Bis zu -30 Grad können gesunde Pferde durch ihre Haut und die darunterliegende Fettschicht, welche isolierend wirkt, und das atmungsaktive Fell, gut wegstecken. Alte und körperlich (beispielsweise durch Rückenprobleme) eingeschränkte Pferde sind hierbei jedoch außen vor und benötigen eventuell einen zusätzlichen Schutz durch eine Decke. Der Organismus eines Pferdes, welches in artgerechter Haltung (damit meine ich KEINE reine Boxenhaltung) gehalten wird, kann sich auf die winterlichen Temperaturen sehr gut einstellen. Freie Bewegung an der frischen Luft (Koppel, Paddock o.ä.) mit Artgenossen sollte auch im Winter möglich sein. Heu ad libitum (= Heu steht 24 Stunden zur freien Verfügung) ist auch in dieser Zeit für meine Pferde selbstverständlich, da durch die Aufnahme von Raufutter der Stoffwechsel wie eine innere "Heizung" wirkt und wiederum wichtig ist für die bereits angesprochene isolierende Fettschicht.
Sind die Haltungs- und Fütterungsbedingungen größtenteils erfüllt, stellt sich immer wieder vielen Reitern die gleiche Frage: worauf ist beim Training an kalten Tagen zu achten?
Viele Pferde neigen bei kalten Temperaturen zu übereifrigen, ja gar Energie geladenem Bewegungsdrang. Aber hier sollte dem Pferd zu Beginn der Trainingseinheit NICHT nachgegebenen werden, um Verletzungen zu vermeiden. Pferde die artgerecht mit genügend Bewegungsmöglichkeiten gehalten werden, zeigen dieses Verhalten jedoch durchaus weniger als reine "Stallhasen". Das oft gesehene "Abschleudern" an der Longe vor dem Reiten ist absolut nicht empfehlenswert. Bänder uns Sehnen müssen erst einmal warm gemacht werden und das muss nicht unbedingt vom Sattel sein, sondern kann auf unterschiedlichste Art und Weise geschehen: Bodenarbeit im Schritt vor dem Aufsteigen bietet sich an oder auch die Arbeit am Langzügel ist eine gelungene Abwechslung und macht zudem auch den Reiter warm, bevor er in den Sattel steigt. Wichtig ist bei all dem, dass 20 Minuten Schritt immer sein müssen! Diese Zeit benötigen Pferde besonders bei Kälte, um Sehnen, Bänder und Gelenke geschmeidig zu machen und körperlichen Verschleißerscheinungen entgegen zu wirken.
Beim Reiten sollten zu Beginn Vorwärts-Abwärts und Tempiwechsel auf großen gebogenen Linien geritten werden, das schult das Reiterbein und fordert das Pferd zudem auf aufmerksam auf die reiterlichen Hilfen zu sein. Unterschiede des Tempos können innerhalb jeder Gangart geritten werden, sogar im Schritt. Diese Übung klingt erst einmal langweilig, bringt jedoch viel für Pferd und Reiter - und ist besonders geeignet für den Muskelaufbau (auch im Sommer). Wurde gründlich aufgewärmt, kann das Pferd je nach Trainingszustand gearbeitet werden, jedoch ist es nicht empfehlenswert dem Pferd bei extremen Temperaturen Höchstleistungen abzuverlangen. Starkes Schwitzen sollte deshalb unter -15 Grad vermieden werden und der Reiter sollte ein Gefühl, dafür entwickeln wie viel Anstrengung sein Pferd verträgt - sollte das Pferd nach dem Training geschwitzt haben, muss dafür gesorgt werden, dass das Pferd gut abschwitzen kann (Solarium, Abschwitzdecke). Immer jedoch empfiehlt es sich auch zum Ende der Trainingseinheit mindestens noch 10 bis 15 Minuten im Schritt zu reiten oder zu führen, damit sich der Kreislauf wieder regulieren kann.
Somit können folgende Punkte festgehalten werden, auf welche (nicht nur) im Winter geachtet werden sollte:
- Täglicher langer Auslauf an der frischen Luft mit Artgenossen
- Heu ad libitum
- Bodenarbeit als Abwechslung
- 20 Minuten Schritt zu Beginn jeder Trainingseinheit
- Vorwärts-Abwärts-Reiten, Tempiwechsel, große gebogene Linien
- Körperliche Überanstrengung vermeiden
- mindestens 10-15 Minuten Schritt am Ende der Trainingseinheit
- dem Pferd eine Möglichkeit zum Abschwitzen bieten (Abschwitzdecke, Solarium) bevor es zurück in seinen Stall geht, um eine Unterkühlung zu vermeiden.
Und jedem Reiter empfehle ich bei frostigen Temperaturen dicke Klamotten, ein warmes Schuhwerk und zwischendurch einen heißen Kaffee mit lieben Reiterkollegen ;-)
Foto: Lydia Köhler
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