Immer wieder treffe ich auf Pferdebesitzer, welche von ihren Pferden erzählen, wie als hätten sie den schlimmsten, feuerspuckenden und unberechenbarsten Drachen im Stall. Da höre ich Geschichten bei denen ich nicht glauben kann, dass diese Tiere zur Gattung „Equus“ also dem Pferd angehören. Allein schon beim Umgang seien diese Tiere so schwierig, dass es fast unmöglich scheint diese Bestien zu zähmen. Kein Mensch könne mit diesen Tieren umgehen und nur der Besitzer selbst (oder eben derjenige der das Pferd arbeitet) sei in der Lage das wilde Tier zu besänftigen. Frage ich etwas genauer nach, warum das Tier denn bestimmte Verhaltensweisen an den Tag legt, bekomme ich als Antwort „Der ist eben so!“ , „Das Pferd hat einen Vogel und reagiert IMMER so!“ oder „Es wird sich nie ändern! Der Gaul will einfach nicht“.
Und genau hier, bei diesen Aussagen beginnt das was es verhindert, dass das Pferd sich ändert ;) Klingt komisch, ist aber so.
Zur Erklärung ein kleines Beispiel: Man ist in der Arbeit, trifft auf einen Kollegen den man nicht leiden mag, weil er scheinbar immer schlecht gelaunt ist. Schon wenn der Kollege das Büro betritt, könnte man auf dem Absatz kehrt machen und den Raum verlassen. Allein die bloße Anwesenheit dieses Menschen zieht unsere Laune in den Keller. Er ist grantig, grüßt kaum oder sogar nie und spricht einen nur unfreundlich an, wenn er etwas braucht. Nach einer gewissen Zeit kennt man sich, der Kollege kommt schlecht gelaunt herein, missachtet einen und zieht einem im gleichen Moment mit in seine schlechte Laune. Auf diese Art und Weise bildet man sich eine genaue Vorstellung von diesem Menschen. Dies alles geschieht relativ unterbewusst. Man schreibt dem Menschen Charakterzüge und Eigenschaften zu und fühlt sich durch jegliche Geste absolut bestätigt in seinem Denken. Das heißt, man erstellt ein Bild von diesem Menschen in seinem eigenen Kopf und schiebt ihn auf diese Weise direkt in die Schublade „Negativer, unangenehmer Mensch“. Diese Schublade wird der Mensch, dann auch nicht so schnell verlassen. Auch wenn er mal an einem Tag besser gelaunt ist, wird man es nicht erkennen, da das Bild dieses Menschen schon so manifest im eigenen Denken ist. Und da allein der Gedanke an diese Person bestimmte negative Eigenschaften ins Gedächtnis ruft, tritt man diesem Menschen schon nicht mehr ganz so gut gesinnt gegenüber. Vielleicht fühlt man sich beleidigt von dessen Art, man sieht es als persönlichen Angriff und ist ihm gegenüber eher kühl und vielleicht auch unfreundlicher. Man verliert die Lust zu grüßen oder nett zu sein und bekommt in Anwesenheit dessen selbst schlechte Laune. Man übernimmt unterbewusst sein Verhalten und wird somit zum Spiegel seines Gegenübers. Das Ganze ist ein Teufelskreis und meine schlechte Laune macht diese Situation nicht besser, sondern ruft nur noch mehr negative Gefühle bei mir und dem Kollegen hervor.
Und genauso ist das mit Pferden und deren Besitzern. Letztere haben ein bestimmtes, selbst konstruiertes Bild ihres Vierbeiners im Kopf. Das Pferd wird als widerspenstig, stur, ängstlich oder hinterlistig beschrieben. Die Menschen können ihre Pferde und deren Unarten haargenau beschreiben. Aber genau hier liegt der Knackpunkt, die Besitzer beschreiben zwar ein Pferd, aber zum großen Teil eines, welches in einer Schublade im Kopf lebt.
Probleme mit Pferden beginnen also im Kopf der Menschen.
Und zwar bei dem Bild das man sich von seinem Pferd in Gedanken macht. Genauso wie bei dem Kollegen mit den unbeliebten Eigenschaften, erstellt man ein Bild des Pferdes mit all seinen Eigenheiten. Mit diesem Bild im Kopf geht man dann auf das Pferd zu und wird bei der kleinsten Kleinigkeit, die das Pferd in diese Richtung macht im eigenen Denken bestätigt. Auch hier projiziert man dann seine eigenen Vorstellungen auf das Tier. Tiere können zwar keine Gedanken lesen, jedoch haben sie durch ihre Instinkte den Menschen eine schnellere Reaktionsfähigkeit voraus. Der Mensch hat noch gar nicht zu Ende gedacht und schon geschieht das Erwartete. Ist man sich dessen bewusst, kann man seine Gedanken sehr effektiv im Umgang mit Pferden (und auch mit Mitmenschen) einsetzen und auf diese Art und Weise eine Basis für einen angenehmeren Umgang schaffen.
Das was man somit als Allererstes ändern muss, ist seine eigene Denkweise und das damit verbundene Bild seines Pferdes im eigenen Kopf. Sehe ich mein Pferd immer als schreckhaftes, unumgängliches Untier, welches extrem kompliziert ist, gehe ich auch so an dieses heran. Das Bild des Pferdes in meinem Kopf gibt mir unterbewusst vor, wie ich zu handeln habe. Natürlich darf ich ein unerzogenes, freches Pferd nicht als liebes, wärmesuchendes Pferd sehen, wenn es mich im Stall fast über den Haufen rennt. Hier muss ganz klar unterschieden werden zwischen Verniedlichung und realistischer Denkweise. Das Pferd soll nicht vermenschlicht werden und genau das passiert indem man ihm Eigenschaften zuschreibt, welche nicht arttypisch erscheinen. Beispielsweise denken manchen Reiter, ihre Pferde würden sich schon am Vortag darüber Gedanken machen, wie sie ihren Reiter in der nächsten Trainingseinheit ärgern können. Doch ein Pferd lebt – anders wie der Mensch – im Hier und Jetzt. Pläne schmieden und Strategien ausmalen, das macht kein Pferd. Es handelt instinktiv und geht jeglicher Art von Druck auf diese Weise durch Flucht aus dem Weg.
Mit dem Bild im Kopf ist gemeint, dass man sich selbst vor Augen halten sollte, dass ein Pferd kein Mensch ist und auch nicht dessen Eigenschaften und Merkmale hat. Es ist ein domestiziertes Tier, welches der Mensch durch artgerechten und angepassten Umgang an seine körperlichen und psychischen Fähigkeiten, zu verschiedenen Leistungen bringen kann. Versucht ein Reiter sein Pferd realistisch zu betrachten, mit all seinen Stärken und Schwächen, kann er durch diese Reflektion anders an sein Pferd herantreten. Er muss sich im Klaren darüber sein, was er für ein Ziel mit ihm hat und sich dieses bildlich in Gedanken vorstellen können. Das kann vom gemeinsamen, entspannten Spaziergang bis hin zu schwierigeren Manövern einer bestimmten Reitweise sein. Wichtig ist, dass der Mensch auch die Grenzen seines Pferdes erkennt und nach Lösungswegen zum gemeinsamen Ziel sucht. Ist der Mensch sich trotzdem noch unsicher, ist es ratsam fachlichen Rat bei einem Reitlehrer zu suchen, der auf die Bedürfnisse von Mensch und Tier eingeht. Mit der genauen Zielvorstellung im Kopf und einer positiven Einstellung zur Erreichung dieser, werden Erfolge in kurzer Zeit sichtbar.
Auch wenn der Weg zum Erfolg nicht immer leicht ist – denn jeder weiß, dass Reiten nicht nur aus bloßem Draufsitzen auf dem Pferd besteht ;-) – kann dieser durch eine positive Einstellung, Pferd und Reiter helfen schwierige Phasen gut zu meistern. Unsere Pferde werden uns für dieses Umdenken danken, indem sie sich positiv verändern. Durch ihr Feingefühl überträgt sich unsere innere Haltung ihnen gegenüber und dadurch werden der Mensch und seine Einstellung in ihrem Verhalten widergespiegelt. Positives Denken, egal ob ich im Turniersport siegen möchte oder einfach nur als Ziel einen gute Trainingseinheit vom Boden aus habe, kann all dies beeinflussen und sogar herbeiführen. Die Schubladen im Kopf müssen leergeräumt werden und es sollte versucht werden, sich ein genaues Bild der Zielvorstellung zu erstellen. Mit diesem Bild im Kopf und einer positiven Grundeinstellung steht dem persönlichen Erfolg nichts mehr im Weg.
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